Keimstrang-Stromatumoren

Was ist ein Keimstrang-Stromatumor (KSST)

KSST sind sehr seltene Tumoren, die bei Jungen im Hoden oder bei Mädchen im Eierstock auftreten können. Daher spricht man von gonadalen Tumoren. Die Tumoren entwickeln sich aus dem spezifischen Gewebe der Gonaden, die Hormone wie Östrogene und Testosteron produzieren und die Entwicklung von Ei- bzw. Samenzellen unterstützen.

 

Wer kann einen Keimstrang-Stromatumor entwickeln und warum?

Diese Tumoren können in jedem Lebensalter auftreten. Die meisten KSST des Hodens entwickeln sich in den ersten Lebensmonaten; bei Jugendlichen sind sie hingegen deutlich seltener als die Keimzelltumoren, der klassische Hodenkrebs. Es ist nicht bekannt, warum sich diese Tumoren entwickeln. Es gibt aber einzelne Sonderformen, die mit Erkrankungen assoziiert sind, die mit einem allgemein gesteigerten Tumorrisiko einhergehen.

Die KSST des Eierstocks können bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Dabei ist eine Sonderform, der Sertoli-Leydig Zelltumor bei Jugendlichen besonders häufig. Dieser Tumor geht oft mit einer starken Testosteronproduktion einher. Er ist in etwa der Hälfte der Fälle mit einer Genveränderung, einer Mutation im DICER1 Gen assoziiert, die auch angeboren sein kann. In diesen Fällen besteht ein erhöhtes Risiko, dass weitere Tumoren, entweder im anderen Eierstock oder in anderen Organen wie der Schilddrüse auftreten können. Außerdem sind in diesen Familien gutartige Schilddrüsenerkrankungen (Struma) besonders häufig zu beobachten.

Hingegen treten die juvenilen Granulosazelltumoren vor allem bei Klein- und Schulkindern auf. Die Entstehung dieser Tumoren ist noch nicht erforscht. Es sind keine angeborenen genetischen Veränderungen bekannt; auch besteht kein erhöhtes Risiko für andere Tumoren.

 

Haben Verwandte ein erhöhtes Risiko, einen KSST oder andere Tumoren zu entwickeln?

Wenn Ihr Kind an einem Sertoli-Leydig Zelltumor erkrankt ist, kann möglicherweise eine angeborene Mutation des DICER1 Gens bestehen. Bei einer angeborenen DICER1 Mutation können auch andere Tumoren in anderen Organen auftreten. Darüber hinaus besteht auch eine Assoziation mit Schilddrüsenerkrankungen. Daher ist eine genetische Untersuchung zu erwägen, um das Risiko für das Kind und für andere Familienmitglieder zu beurteilen.

 

Was sind die typischen Beschwerden und Symptome?

Die klinischen Symptome unterscheiden sich nach dem Geschlecht des Patienten. Bei Jungen wird meist eine schmerzlose Schwellung eines Hodens bemerkt. Da man den Hoden gut tasten kann, sind diese Tumoren meist klein. Im Gegensatz dazu liegen die Eierstöcke versteckt im kleinen Becken und Tumoren dort werden daher oft erst mit einer beträchtlichen Größe diagnostiziert. Typische Symptome sind dann Bauchschmerzen, die manchmal sehr akut auftreten können, eine Bauchumfangszunahme, Verstopfung oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen. Wenn die Tumoren Hormone produzieren, können bei kleinen Kindern auch verfrühte Pubertätszeichen wie z.B. eine Brustdrüsenschwellung, Schambehaarung oder ein beschleunigtes Körperlängenwachstum auftreten. Bei Jugendlichen kann eine verstärkte Behaarung oder Akne bestehen, oder die Periodenblutung bleibt aus. Diese Symptome bilden sich nach der Behandlung zurück.

 

Welche Untersuchungen sind notwendig?

Jedes Kind mit einem Hodentumor oder Eierstocktumor sollte vor einer Operation von einem Kinderchirurgen und einem Kinderonkologen untersucht werden. Bei dieser Untersuchung werden Tumormarker und die Hormonwerte bestimmt. Durch diese sollen andere, häufigere Tumoren ausgeschlossen werden. Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) dient dazu, die Größe des Tumors zu bestimmen und Metastasen auszuschließen. Darüber hinaus wird bei Tumoren des Eierstocks eine Kernspintomographie (MRT Untersuchung) empfohlen, die den ganzen Bauch und das Becken abbildet.

 

Gibt es verschiedene Krankheitsstadien?

Ja, man unterscheidet die Tumorstadien nach der lokalen Ausbreitung und nach dem Auftreten von Metastasen. Die Hodentumoren sind abgesehen von extrem seltenen Ausnahmen immer auf den Hoden beschränkt und bilden keine Metastasen aus. Die Eierstocktumoren können jedoch spontan platzen und sich in die Bauchhöhle ergießen. Nicht selten besteht aber auch ein Reizerguss in der Bauchhöhle, ohne dass in diesem Tumorzellen nachweisbar sind. Daher muss die Flüssigkeit in der Bauchhöhle immer mikroskopisch untersucht werden. Bei ca. 10% der Eierstocktumoren bestehen Absiedelungen (Metastasen) im Bereich der Bauchhöhle oder der Bauch-Lymphknoten. Lebermetastasen sind sehr selten. Metastasen in anderen Organen wie den Lungen oder Gehirn werden praktisch nie beobachtet.

 

Wie werden Keimstrang-Stromatumoren behandelt?

Die Hodentumoren werden operativ entfernt und gelten damit als geheilt. Auch bei den Eierstocktumoren steht die operative Entfernung des befallenen Eierstocks, evtl. auch des Eileiters der gleichen Seite, am Anfang der Therapie. Das Rückfallrisiko richtet sich dann nach dem Ergebnis der pathologischen Untersuchung und dem Tumorstadium. Wenn der Tumor auf den Eierstock beschränkt ist und komplett entfernt werden konnte, ist die operative Entfernung ausreichend. Bei fortgeschrittenen Tumoren wird die Entscheidung bzgl. einer Chemotherapie nach Abschluss der pathologischen Diagnostik gestellt. Da diese Entscheidung besondere Erfahrung erfordert, ist eine Rücksprache mit der Studienleitung dringend zu empfehlen unter: step(at)klinikumdo.de

 

Wie sind die Behandlungsergebnisse?

Die Prognose der KSST im Hoden ist exzellent. Bei Eierstocktumoren ist die Prognose im Allgemeinen gut. Allerdings besteht bei einem unvollständig entfernten Tumor, bei metastatischen Tumoren und bestimmten Untergruppen ein erhöhtes Risiko.

 

Welche Forschungsaktivitäten bestehen bei Keimstrang-Stromatumoren?

Die Entwicklung die oben dargestellten Behandlungsempfehlungen basieren auf der zentralen Erfassung der klinischen, pathologischen und genetischen Patientendaten in nationalen und internationalen Registern. Durch diese Arbeit hat sich die Prognose dieser Patienten verbessert; gleichzeitig werden unnötige Therapien vermieden.

Darüber hinaus ermöglichen genetische Studien tiefere Einblicke in die Biologie und Entstehung dieser Tumoren. Diese Studien liefern in Kombination mit den klinischen Studien Hinweise, welche Empfehlungen für Patienten und Familien mit einer genetischen Veranlagung ausgesprochen werden sollen.

 

Hier finden Sie eine frei zugängliche Übersichtsarbeit der EXPeRT-Gruppe zu den Diagnostik- und Therapiempfehlungen bei Keimstrang-Stromatumoren.